Schlamassel bei Andermatt

„Hört auf mit planen, macht was

So tönt es in let­zter Zeit von Mach­ern, als an sich berechtigte Kri­tik am Schla­mas­sel mit der „Planerei ums Andermattareal“. 

Nur: mit „nicht pla­nen, son­dern ein­fach machen“ ver­hed­dert man sich eben­falls, aber anders. Wie anders, das hat der Gemein­der­at bei Ander­matt früh, schon 2004, gezeigt: Er hat gemacht. Er wollte 2004 vorne in ein­er Ecke des riesi­gen Gelän­des mal ein Gemein­de­haus „machen“. Damit wäre das ganze Poten­zial des 10’000 m2 Are­als an bester Zen­trum­slage für eine richtig geplantes Dor­fzen­trum verp­fuscht worden. 

Got­t­lob hat das in der Gemeinde Aufruhr gegeben; die Vor­lage musste zurück­ge­zo­gen wer­den.  Erst dann hat sich das kan­tonale Amt für Raum­pla­nung einge­bracht – mit süssen Sub­ven­tio­nen und fach­lich kom­pe­ten­ter Unter­stützung für ein über­legtes Vorge­hen mit dem zen­tral gele­ge­nen Gemein­deare­al. Es wurde als „ein­ma­lige Chance“ bezeichnet.

Das Desaster mit den unseligen Andermattplanungen hat andere Gründe

Diese Gründe haben ihre Ursachen in der Anti­s­taat-Nachtwächter-Vorstel­lung des Gemein­der­ates über seine Rolle als gewählte Exeku­tive eines Gemein­we­sens. Es ist seine Unwilligkeit, die Ver­ant­wor­tung und die Führungsrolle für die Gestal­tung des eige­nen Ander­mattare­als zu übernehmen; auch nicht dafür, die allernötig­sten Vor­in­vesti­tio­nen zu riskieren. „Das kön­nen pri­vate Mach­er bess­er“ ist seine Devise.

So hat der Gemein­der­at jahre­lang unter dem abgeschot­teten „Dik­tat“ des Gemein­deam­mans sozusagen hin­ter einem Vorhang der Intrans­parenz gew­erkelt und zuge­se­hen, wie Pri­vate ihre Eigen­in­ter­essen auf­blühen liessen.
Diese Pri­vat­en haben eben für sich geschaut und aus dem Ander­mattare­al ein Ren­di­teob­jekt machen wollen, mit erhöht­en Aus­nützungz­if­fern, ohne öffentliche Plätze, etc. – ent­ge­gen dem Willen von Her­rn Ander­matt und den Vorschlä­gen der unab­hängi­gen, erfahre­nen Plan­er. Diese hat der Gemein­deam­mann immer wieder ausgebootet. 

Das hat vor einiger Zeit endlich, nach 1 Mio Fr. machen und ver­pla­nen lassen, zum bösen Erwachen geführt. Und da wird nun von den Mach­ern ein Pla­nungstop für 5 Jahre gefordert. Pla­nen heisst eben nicht „machen lassen“.

Wir in unseren Kellerämtlergemeinden

Wie unter­schiedlich die poli­tis­che und soziale Iden­ti­fika­tion mit dem eige­nen Dorf, und die Gestal­tungskräfte in den ver­schiede­nen Gemein­den unser­er Region ist, zeigt sich nicht nur bei der Dorf­pla­nung, son­dern gegen­wär­tig auch im Vor­feld der Gemein­der­atswahlen. Ober­lunkhofen scheint kein Vorzeige-Beispiel für direkt-demokratis­chen Zusam­men­halt und Lebendigkeit zu sein.

Beispiel Dorf-Zentrumsplanung

Jonen: Der sied­lungspoli­tis­che Gestal­tungswillen des Gemein­der­ates ist im Dorf sicht­bar: z.B. an der Dorf­s­trasse, die als benutzer­fre­undliche Dorf-Begeg­nungszone entwick­elt wurde.

Dem gegenüber dreht sich in Ober­lunkhofen der Gemein­der­at beim Ander­mattare­al in ein­er jahrzehn­te­lan­gen Pla­nungsirre. Die Gemeinde kon­nte das Land 2002 von einem Ein­wohn­er – Herr Ander­matt – sehr gün­stig für ca. 3.5 Mio. kaufen. Dieses immer noch brach­liegende, fast 10’000 m2 grosse Are­al in Zen­trum­slage hat nicht nur einen Landw­ert von mit­tler­weile gut 10 Mio. Fr., son­dern vor allem ein ein­ma­liges Poten­zial für ein attrak­tives Dor­fzen­trum mit regionalem Zen­trum­scharak­ter. Das ist seit 15 Jahren bekannt.

Beispiel politisches Engagement

In Jonen – zum Beispiel – kan­di­dieren drei Bish­erige und fünf Neue um fünf Gemein­der­atssitze. Ähn­lich in prak­tisch allen Gemein­den der Region. Es bewer­ben sich meis­ten ein bis drei Leute mehr als die fünf zu vergeben­den Gemein­der­atssitze. Ein Zeichen von poli­tis­chem Engage­ment für die Gemeinde.

Nicht so in Ober­lunkhofen. Neben den fünf wieder Kan­di­dieren­den ist keine einzige weit­ere Kan­di­datur zus­tande gekom­men; ein weit­eres Zeichen der dorf­poli­tis­chen Absti­nenz und des offen­bar man­gel­nden Dor­fzusam­men­haltes und Inter­esse am Wohl der reichen Schlafge­meinde. Man fragt sich, woran das liegt.

Gemeinde-Politik ohne Eigenverantwortung

Der Fall Andermattareal

18 Jahre «Pla­nun­gen», fast 1 Mio Fr. ver­plant, und – 2020- Ober­lunkhofen steckt in der Sack­gasse. Der Gemein­der­at ver­langt immer noch weit­ere Gelder. 25’000 Fr. im Bud­get 2021: für Rechts­ber­atung, nicht für Pla­nung. Wie kon­nte so etwas nur passieren?

Wenn man den wirk­lichen Ursachen nachge­ht, so kommt man nicht um fol­gende Fest­stel­lun­gen herum.

Begonnen hat alles schon in den frühen Nullerjahren

Die Gemeinde wurde 2002 Besitzerin von ca. 8000 m2 Bauland an allerbester Zen­trum­slage. Klar ist, es wer­den viele Dutzend Mio Franken Investi­tio­nen nötig sein, um das Land zu einem attrak­tiv­en Dor­fzen­trum zu entwick­eln – im Inter­esse der All­ge­mein­heit, der Zukun­ft der Gemeinde.

Die Lan­deigen­tümerin, die Gemeinde, ist gefordert Ver­ant­wor­tung zu übernehmen, zu führen; das Heft in die Hand nehmen – ev. auch mit Infrastruktur-Vorinvestitionen.

Aber der Gemein­der­at will kein Geld investieren, son­dern sparen, sparen, sparen.

Er gibt das Heft aus der Hand – an pri­vate Inve­storen. Kom­pe­tente neu­trale Plan­er wer­den ausgebootet.

Der Gemein­der­at sitzt noch im Pla­nungs­gremi­um, aber mehr auf dem Beifahrersitz denn als ver­ant­wortlich­er Landbe­sitzer und wirk­samer Vertreter der Gemein­dein­ter­essen. Denn die Pri­vat­en ver­sprechen, dass sie diese Pla­nung – und spätere Investi­tio­nen – auf eigene Rech­nung machen. Das koste der Gemeinde nichts. So hat der Gemein­der­at seine Eigen­ver­ant­wor­tung an pri­vate Inve­storen abgetreten.

Nur: pri­vate Inve­storen müssen – legit­imer­weise – Prof­ite erwirtschaften, das Land möglichst dicht bebauen. Offene Begeg­nungs- und ‑Grün­flächen sind unrentabel. Ihr Inter­esse an einem für die All­ge­mein­heit attrak­tiv­en Dor­fzen­trum ist untergeordnet.

Und so kommt es nach Jahren

Im Bud­get 2021 fig­uri­ert ein Betrag von 25’000 Fr. für «Rechts­ber­atung 1» – nicht als eigenes Trak­tan­dum über das man abstim­men kön­nte, son­dern «einge­bet­tet» in einen Posten im Budget.

Die Wirk­lichkeit dieser Vorgänge ver­hüllt der Gemein­der­at für viele Jahre mit ein­er Null-Infor­ma­tion­spoli­tik. Auf Nach­fra­gen heisst es immer nur: Es sind noch einige Fra­gen offen, wir sind dran.

Faz­it: Das Debakel ist ursäch­lich auf Spar­manie und eine Ide­olo­gie des Nachtwächter­staates zurück­zuführen. Sog­ar bei der Sied­lungsen­twick­lung soll sich der Staat raushal­ten. Eben Poli­tik ohne Eigenverantwortung.

Samuel Mauch               Ursu­la Mauch

1 Der Text im Abstim­mungs­büch­lein lautet: «externe Rechts­ber­atung im Zusam­men­hang mit dem Gestal­tungs­plan (Bau­rechtsverträge, Leis­tungsvere­in­barun­gen, Lan­dum­le­gun­gen etc.) erneut mit Kosten in der Höhe von rund CHF 25‘000. Auch nehmen die durch den Gemein­der­at in Anspruch genomme­nen all­ge­meinen Rechts­ber­atun­gen ten­den­ziell zu.»

Nachtrag pro domo frischer wind oberlunkhofen (fwo)

Während mehr als 10 Jahren hat­te der Gemein­der­at sog­ar die Idee, min­destens einen Teil des von Her­rn Ander­matt im All­ge­mein­in­ter­esse der Gemeinde weit unter dem Mark­t­preis anver­traut­en Lan­des an pri­vate Inve­storen zu verkaufen, d.h. Gemein­de­sil­ber zu verschachern!

Nicht zulet­zt unter dem Ein­fluss der fwo Forumsver­anstal­tung 2014 «Bauen im Bau­recht» erkan­nte der Gemein­der­at erst gegen Mitte der 2010er Jahre, dass ein Verkauf an der Gemein­de­v­er­samm­lung keine Chance hätte.

Der frische wind ober­lunkhofen organ­isierte im Mai 2014 einen Fachvor­trag «Bauen im Bau­recht: Wo, warum, wie?»  Ref­er­ent war Herr Thomas Hess, Schreiber der Kor­po­ra­tion Unterägeri. Er erläuterte die jahrhun­derte­lan­gen Erfahrun­gen viel­er Inner­schweiz­er Kor­po­ra­tio­nen mit ihrer tra­di­tionellen Land­poli­tik: Gemein­schaft­s­land wird nur im Bau­recht vergeben, nie verkauft. Die Gemein­derätin­nen wur­den per­sön­lich ein­ge­laden, aktiv an der Tagung und den Diskus­sio­nen teilzunehmen.

Die Hauptmes­sage der Erfahrun­gen war: «So kon­nten Land­speku­la­tio­nen, über­schiessende Land­preise und Sied­lungswuch­er ver­mieden werden».

Planung Andermatt

1. Zum Problem

Am 2.10.2020 kon­sul­tierte ich die Web­site der Gemeinde Ober­lunkhofen, um das Neueste betr­e­f­fend Zen­trums- und Ort­s­pla­nung zu erfahren. Ich fand unter «Verwaltung/Ortsplanung» aber nur dieses: «Am 15. Feb­ru­ar 2014 informierten das Fach­gremi­um und der Gemein­der­at die inter­essierte Bevölkerung» über die Test­pla­nung 2012–2014. Sei­ther nichts mehr.

Das ist blam­a­bel, denn das Kern­the­ma Zentrumsplanung/Andermatt­areal inter­essierte die Bevölkerung seit 15 Jahren[1]. Seit sechs vollen Jahren herrscht nun Funkstille – mit Aus­nahme von ad hoc «Ori­en­tierun­gen», wenn diese an Gemein­de­v­er­samm­lun­gen unter dem Trak­tan­dum «Ver­schiedenes» aus­drück­lich ver­langt wur­den. Dabei war der Tenor immer inhalt­sleer, auswe­ichend: «Wir sind dran; es sind einige Fra­gen immer noch nicht gek­lärt». Dies, obwohl die Gemein­de­v­er­samm­lung 2015 nochmals CHF 225’000 für den Gestal­tungs­plan (GP) bewil­ligt hat­te. Es war vorge­se­hen, dass der GP innert 18 Monat­en offiziell fer­tig gestellt und dem Kan­ton vorgelegt würde.[2]

2. Zur Geschichte

Vor 18 Jahren, d.h. im Jahr 2002, kon­nte die Gemeinde das Ander­mattare­al – ca. 8000 m2 – an bester Zen­trum­slage vom Bürg­er Her­rn Ander­matt zu einem sehr gün­sti­gen Preis (ca. CHF 460/m2) kaufen, mit dem erk­lärten Wun­sch des Verkäufers, dass auf dem Land «etwas für die ältere Bevölkerung» gebaut werde. Sei­ther hat der Gemein­der­at 18 Jahre lang geplant. Diese Pla­nun­gen haben ins­ge­samt gegen CHF 1 Mio. gekostet. Die Bevölkerung wurde dabei immer nur äusserst spär­lich informiert; mit eigentlichen Inhal­ten, das let­zte Mal im Feb­ru­ar 2014 über die Ergeb­nisse der soge­nan­nten Test­pla­nung. Diese definierte die rechtlich und gestal­ter­isch möglichen sied­lungs- und baulichen Konzepte klar genug:

  1. Real­isierung Wohnen im Alter ist möglich, mit oder ohne Beteili­gung der anderen Besitzer, die Fir­ma IBRAG und Herr Biderbost
  2. Eine Nord-süd-Verbindungsachse
  3. Bau­form: 3/4‑stöckig + Attika
  4. Aus­nützung: 0.8 bis 0.9
  5. Land­verkauf oder Bau­recht[3]

Im Dez. 2018 gab der Gemein­der­at bekan­nt: «Am 21. Feb­ru­ar 2019 wird eine Infor­ma­tionsver­anstal­tung zur Pla­nung des Ander­mattare­als stat­tfind­en». Aber schon im Feb­ru­ar 2020 fol­gte die Mel­dung: «Die Infor­ma­tions-Ver­anstal­tung ist abge­sagt». Ohne Begrün­dung. Heute wis­sen wir kein Biss­chen mehr.

Es ist nötig, dass der Gemein­der­at regelmäs­sig, z.B. zwei Mal pro Jahr, auf der Web­site der Gemeinde sub­stanzielle Infor­ma­tio­nen über seine Entschei­de, den Stand der Arbeit­en, allfäl­lige Prob­leme, den Fortschritt usw. pub­lizieren würde. Nur das wäre vere­in­bar mit dem Ver­sprechen der 2019 gross angekündigten «Vision», Zitat: «Wir… pfle­gen einen offe­nen und kon­struk­tiv­en Aus­tausch zwis­chen Bevölkerung und Behör­den» – übri­gens, der einzige Ein­trag auf der Web­site unter «Aktuelles»!

Die Bevölkerung stellt sich auch fol­gende konkreten Fragen:

  • Welche Ander­mattare­al-Verpflich­tun­gen ist der GR wann gegenüber wem eingegangen?
  • Wo sind die Hemm­schuhe, dass auch nach weit­eren 3 Jahren – seit den let­zten Gemein­der­atswahlen – kein Fortschritt sicht­bar ist und die Bevölkerung total im Dunkel gelassen wird?
  • Gestal­tungs­plan: Was ist der Stand? Wo klemmt es? Wieviel des bewil­ligten Kred­ites von CHF 225’000 wurde wozu schon aus­gegeben? Wer arbeit­et was daran – mit welchen Kompetenzen? 
  • Auf welche UNABHÄNGIGEN, KOMPETENTEN Bera­terin­nen (Juris­ten, Bau- und Pla­nungs­fach­leute) hat sich der Gemein­der­at wann gestützt?
  • Welche Del­e­ga­tion im Gemein­der­at hat den Lead in diesem Geschäft und wie inten­siv wird der gesamte Gemein­der­at in die Entschei­de einbezogen?

Samuel Mauch


[1] Heute – nach 18 Jahren warten – haben sehr viele resig­niert, sind ent­täuscht oder zynisch gewor­den. Alte Leute sagen «Das werde ich ja eh nicht mehr erleben, und ziehen sich resig­niert zurück.

[2] 2006 beschloss der Gemein­der­at nur einen Richt­plan und keinen Gestal­tungs­plan (GP) zu machen, weil „bil­liger, schneller und flexibler“ (!)

[3] mündliche Empfehlung der Experten: Land ja nicht verkaufen!